Was bedeutet Enterprise Value (EV)?
Bei der Bewertung eigener oder fremder Unternehmen kommen Sie an der Berechnung des Enterprise Value (EV) kaum vorbei. Doch was versteht man eigentlich genau unter dem Enterprise Value, wie unterscheidet er sich von anderen Kennzahlen und wie wird er unkompliziert berechnet? Wir klären Sie umfassend über den Enterprise Value auf.
Techopedia erklärt Enterprise Value
Der Begriff Enterprise Value stammt aus dem englischen Wirtschafts-Fachjargon, in dem er austauschbar mit den Begriffen Total Enterprise Value und Firm Value genutzt wird. Im deutschen Kontext wird der Enterprise Value neben seiner englischen Bezeichnung auch als Unternehmenswert bezeichnet.
Aber Achtung: Der Enterprise Value ist nicht mit dem sogenannten Equity Value gleichzustellen. Während Ersterer den Unternehmenswert darstellt, bildet Letzterer lediglich das Eigenkapital (Equity) eines Unternehmens ab.
Beim Enterprise Value handelt es sich um eine Kennzahl für den Unternehmenswert, die im Rahmen von Unternehmensbewertungen ermittelt wird. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten das EV zu berechnen, wobei die Verrechnung stets den aktuellen Börsenwert eines Unternehmens und bestehende Verbindlichkeiten (Eigenkapital, Fremdkapital, liquide Mittel) berücksichtigt.
Im weiteren Verlauf des Artikels werden wir genauer auf verschiedene Berechnungsmethoden des Enterprise Values eingesehen.
Was ist der Unterschied zwischen Marktwert und Unternehmenswert?
Neben dem Unternehmenswert (Enterprise Value bzw. Firm Value) wird oft auch der sogenannte Marktwert eines Unternehmens diskutiert. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Konzepte.
Der Marktwert eines Unternehmens wird auch als Marktkapitalisierung verstanden. Er beschreibt den Gesamtwert aller Aktien eines Unternehmens, multipliziert mit deren Preis. Der Unternehmenswert greift weiter als der Marktwert und verrechnet die Marktkapitalisierung eines Unternehmens zusätzlich mit sämtlichen offenen Schulden eines Unternehmens.
Was bedeutet ein negativer Enterprise Value?
Während der Marktwert eines Unternehmens stets positiv ist – er stellt die Marktkapitalisierung eines Unternehmens dar – kann der Enterprise Value eines Unternehmens (der Unternehmenswert) stark davon abweichen. Oft fällt er niedriger als der Marktwert aus, in Ausnahmefällen kann er sogar negativ ausfallen. Was bedeutet es aber konkret, wenn der EV eines Unternehmens negativ ist?
Konkret bedeutet ein negativer Enterprise Value, dass das betroffene Unternehmen zum Zeitpunkt der Bewertung über derartig viele liquide Mittel verfügt, dass diese die Marktkapitalisierung des Unternehmens übersteigen.
In anderen Worten: Das Unternehmen hat mehr als genug bares Geld, um seine offenen Schulden zu zahlen und seine Aktien zurückzukaufen. Das ist in der Regel ein schlechtes Omen, weil es entweder auf hohe Unternehmensverluste oder gar eine bevorstehende Insolvenz des Unternehmens hinweist.
Wo wird der Enterprise Value verwendet?
In der Theorie ermittelt der Enterprise Value den tatsächlichen Wert eines Unternehmens unter Berücksichtigung sämtlicher bestehender Verbindlichkeiten. In der Praxis stellt der EV den ungefähren Preis dar, den ein Käufer aufbringen müsste, um das bewertete Unternehmen in seiner Gänze zu übernehmen.
Ein potenzieller Käufer eines Unternehmens zieht den EV heran, um eine Preisvorstellung über das vorliegende Unternehmen zu erlangen. Der tatsächliche Kaufpreis ist in der Regel etwas höher als der Unternehmenswert.
Der Enterprise Value ist vor allem dann von Interesse, wenn eine Bewertung eines kleineren und besonders stark verschuldeten Unternehmens erfolgt. In diesen Fällen dürfte der EV nämlich deutlich vom alternativ genutzten Marktwert (Marktkapitalisierung) abweichen und ein weitaus realistischeres Bild über den Wert des Unternehmens liefern.
Vor- & Nachteile von Enterprise Value (EV)
Es gibt einige Vor- & Nachteile, die Sie beim Umgang mit dem Enterprise Value (EV) berücksichtigen sollten.
Vorteile des EVs
- greift weiter als Marktkapitalisierung; berücksichtigt Verbindlichkeiten
- ist insbesondere bei kleinen und stark verschuldeten Unternehmen nützlich
- sinnvoll bei Erwägung kompletter Übernahme eines Unternehmens
Nachteile des EVs
- alleinige Verwendung kaum sinnvoll, für sichere Bewertung andere Kennzahlen hinzuzuziehen
- Verbindlichkeiten werden anhand ihres Buchwerts bereinigt, können aber in Wirklichkeit höher ausfallen
- kein absoluter Wert; vielmehr für Schätzungen geeignet.
Während der Enterprise Value (EV) also ein nützliches Werkzeug ist und weiter als die Marktkapitalisierung greift, kann er allein nicht ausschlaggebend für eine Kaufentscheidung eines Investors sein. Hierfür sollte er zusätzlich andere Kennzahlen heranziehen, um zu einem differenzierteren Ergebnis zu gelangen.
Wie wird der Enterprise Value berechnet? – Schritt-für-Schritt-Anleitung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Enterprise Value zu berechnen. Im Grunde schlüsseln diese aber die gleichen Kennzahlen unterschiedlich detailliert auf. Um Ihnen die Berechnung des EV zu veranschaulichen, stellen wir eine Anleitung für die gängigste Berechnungsmethode des EV dar und erklären anschließend, wie Sie diese weiter aufschlüsseln können:
Schritt 1: Bilanz eines Unternehmens beschaffen
Um den Enterprise Value (EV) eines Unternehmens zu berechnen, benötigen Sie Daten zum befragten Unternehmen. Diese finden Sie in dessen Bilanz. Fragen Sie die Bilanz entweder direkt beim Unternehmen an oder ziehen Sie diese aus Quellen Dritter. So stellen beispielsweise Broker die Bilanzen von Aktienunternehmen auf ihrer Website zur Verfügung.
Schritt 2: Ziehen Sie die vereinfachte Formel zur Berechnung des EV heran
Haben Sie die Daten zum Unternehmen vorliegen, können Sie zur Berechnung des Enterprise Value übergehen. Das EV berechnen Sie, indem Sie die Marktkapitalisierung mit der Summe der zinstragenden Verbindlichkeiten addieren und anschließend sämtliche liquide Mittel subtrahieren.
In anderen Worten: Sie schlagen sämtliche Schulden auf den Marktwert eines Unternehmens auf, die Sie bei einem Kauf begleichen müssten und ziehen sämtliche liquide Mittel ab, die Sie sich im Falle eines Kaufes auszahlen lassen könnten.
Das Ergebnis aus Ihrer Berechnung ist der Enterprise Value und eine Annäherung an den hypothetischen Kaufpreis des Unternehmens.
Schritt 3: Nutzen Sie alternativ die ausführliche Formel zur Berechnung des EV
Ist die gekürzte EV-Formel für Ihre Bewertung nicht ausreichend, oder ist Ihnen nicht klar, wie Sie Werte aus dieser Formel ermitteln, können Sie auch auf die ausführliche Formel zur Berechnung des EV zurückgreifen.
In der ausführlichen Berechnung des Enterprise Value addieren Sie zuerst den Marktwert der Stammaktien mit dem der Vorzugsaktien und dem Marktwert aller zinstragenden Verbindlichkeiten und Minderheitsanteile. Anschließend subtrahieren Sie sämtliche liquide Mittel und Beteiligungen am zu bewerteten Unternehmen (etwa durch assoziierte Unternehmen oder Joint Ventures).
Schritt 4 (optional): Nutzen Sie den EV zur Ermittlung weiterer Kennzahlen
Ermitteln Sie den EV eines Unternehmens im Rahmen einer ausführlichen Bewertung, ist der EV allein oft nicht für eine vollständige Bewertung ausreichend. Machen Sie sich Ihr gewonnenes Wissen zunutze und ziehen Sie in Erwägung, inwiefern Ihnen die Ermittlung einer der folgenden Kennzahlen helfen würde: EV to Revenue, EV to EBITDAR, EV to EBITDA, EV to Invested Capital, EV to EBIT.
Fazit
Liegt Ihnen die Bilanz eines Unternehmens vor, ist die Berechnung des Enterprise Values recht simpel. Die Berechnung des EV bietet gerade bei kleinen oder stark verschuldeten Unternehmen einen realistischeren Einblick in den Unternehmenswert als die Marktkapitalisierung und sollte deshalb nicht missachtet werden.
Für eine ausführliche Bewertung ist der EV allein aber nicht aussagekräftig. In diesem Fall bietet er aber eine wertvolle Grundlage für die Berechnung weiterer Kennzahlen. Der Enterprise Value ist ein wichtiger Bestandteil einer Unternehmensbewertung und sollte ohne Zweifel auch zu Ihrem Repertoire zählen.