Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) hat in relativ kurzer Zeit große Fortschritte erzielt, doch es bleibt noch viel zu tun.
Führende Produkte wie ChatGPT und Claude Sonnet bieten beeindruckende Fähigkeiten, weisen allerdings erhebliche logische Einschränkungen auf.
Dies beginnt sich jedoch zu ändern.
Wie Reuters letzte Woche berichtete, arbeitet OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, im Rahmen des „Project Strawberry“ (auch bekannt als „Q*“), an einem neuen Ansatz für KI-Modelle, der großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) eine verbesserte Argumentation ermöglichen soll.
Die mit der Angelegenheit vertraute Quelle bestätigte zwar nicht, wann Strawberry veröffentlicht wird, teilte aber interne Dokumente mit einigen grundlegenden Details über das Projekt.
Techopedia ging dem Bericht nach und bat OpenAI um Klarstellung. Das weltweit führende KI-Startup reagierte jedoch nicht sofort mit einem Kommentar.
Wichtigste Erkenntnisse
- Laut Reuters ist Strawberry ein internes Projekt von OpenAI.
Früher war das Modell als Q* bekannt. - Das Modell von OpenAI wird Berichten zufolge über erweiterte Denkfähigkeiten verfügen und komplexere mehrstufige Aufgaben bewältigen können.
- Diese Lösung könnte autonomer arbeiten als die heutigen LLMs.
Was bisher über OpenAIs Strawberry bekannt ist
Derzeit gibt es nur wenige Informationen über Strawberry, aber in einem der von Reuters eingesehenen Dokumente wird ein Projekt beschrieben, bei dem die Strawberry-Modelle zur autonomen Navigation im Internet und zur Durchführung von „Deep Research“ eingesetzt werden.
Damit könnte ein Modell das Internet durchforsten und Informationen aus Artikeln und anderen Quellen extrahieren, um sie dann zur kontinuierlichen Verbesserung seiner Schlussfolgerungen zu nutzen.
Laut einer Quelle der Nachrichtenagentur Reuters weist Strawberry Ähnlichkeiten mit der 2022 in Stanford entwickelten Technik Self-Taught Reasoner (STaR) auf.
Bei STaR kann ein Modell iterativ seine eigenen Trainingsdaten erstellen und mit der Zeit immer intelligenter werden.
Wie die Quelle weiter behauptet, deuten interne Dokumente darauf hin, dass OpenAI Strawberry für die Durchführung von Aufgaben mit langem Zeithorizont entwickelt – komplexere Vorgänge, bei denen ein Modell eine Reihe von Schritten im Laufe der Zeit vornehmen muss.
Die Fähigkeit, solche Aufgaben zu erfüllen, würde dem Modell eine größere Unabhängigkeit verleihen als den heutigen LLMs.
Alon Yamin, Mitbegründer und CEO von Copyleaks, erklärte gegenüber Techopedia:
„Das ‚Strawberry‘-Projekt von OpenAI signalisiert einen bedeutenden Fortschritt bei den KI-Fähigkeiten und könnte unsere Interaktion mit generativer KI-Technologie und die Lösung komplexer Probleme revolutionieren. Die Auswirkungen auf Forschung, Softwareentwicklung und sogar wissenschaftliche Entdeckungen sind immens.“
„Dennoch gilt es, bei der Erschließung dieser neuen Möglichkeiten auch weiterhin der Einführung umfassender Leitplanken Vorrang einzuräumen. Diese Leitplanken werden sicherstellen, dass KI-Fortschritte wie ‚Strawberry‘ verantwortungsvoll genutzt werden, um potenzielle Risiken zu minimieren und ihre positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft zu maximieren.“
Warum ist Strawberry so wichtig?
Stimmen die berichteten Informationen, dann deutet dies auf Fortschritte in der LLM-Entwicklung von OpenAI hin.
So werden die KI-Modelle in Zukunft selbstständiger lernen und komplexe mehrstufige Aufgaben durchführen können.
Mit diesem Ansatz können Modelle ein breiteres Aufgabenspektrum automatisieren als die derzeitigen LLMs, die ein hohes Maß an menschlicher Kontrolle erfordern.
So müssen die Nutzer nicht nur Prompts eingeben, sondern auch die Ergebnisse von ChatGPT überprüfen, um sicherzustellen, dass es keine Halluzinationen und falschen Aussagen gibt.
LLMs denken nämlich nicht eigenständig wie Menschen. Sie sind darauf trainiert, Muster in der menschlichen Sprache zu lernen und Reaktionen auf grundlegende Eingaben vorherzusagen.
Folglich verfügen sie weder über eine menschliche Denkweise noch über eine Vorstellung von gesundem Menschenverstand oder Logik.
Noch kein Grund zur Euphorie
Zweifellos wird Strawberry einige Innovationen auf den Markt bringen, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es wichtig, sich nicht zu sehr von dem Hype anstecken zu lassen.
Immerhin gab es vor der Veröffentlichung des GPT-4o viele Gerüchte über die Vorstellung des GPT-5.
Obwohl GPT-4o ein solider multimodaler Einstieg in den LLM-Markt ist, konnte es sich in Bezug auf seine Leistung nicht wirklich von anderen beliebten Sprachmodellen wie Claude 3 Opus/Sonnet oder Gemini abheben.
Sollte Strawberry jedoch neue Möglichkeiten aufzeigen, die die Argumentationsfähigkeiten von LLMS verbessern können, dann wird dies eine willkommene Ergänzung des Marktes sein, ähnlich wie es Retrieval-Augmented Generation (RAG) und andere Technologien waren.
Langzeiteffekte von Strawberry
Solange wir keine Bestätigung von OpenAI erhalten, ist es schwierig, die langfristigen Auswirkungen von Strawberry zu bestimmen.
Ist das Projekt legitim? Könnte es auf Eis gelegt werden?
Wenn die Informationen jedoch glaubwürdig sind, würde dies darauf hindeuten, dass sich die LLMs über die menschliche Unterstützung hinaus zu einer autonomeren Rolle entwickeln und ihre eigenen Trainingsdatensätze erstellen und Aufgaben mit minimaler Unterstützung durchführen können.
Betrachtet man das Ganze aus einer Top-Down-Perspektive, so könnte die Fähigkeit, die Erstellung von Trainingsdaten zu automatisieren, die Arbeitsbelastung von Forschern im Bereich der KI und des maschinellen Lernens verringern.
Denn diese müssen in der Regel Datensätze kuratieren, wobei die Möglichkeit, komplexe Automatisierungen durchzuführen, die Tür zu einem breiteren Spektrum von Anwendungsfällen in Bereichen wie der Softwareentwicklung öffnet.
Ein solcher Ansatz könnte auch das Risiko erhöhen. Wenn die Modelle unabhängiger sind, wird es zwangsläufig weniger menschliche Aufsicht und Kontrolle geben.
Dies wirft die Frage auf, ob KI-generierte Trainingsdaten und autonome Handlungen mit einer verantwortungsvollen KI-Entwicklung in Einklang gebracht werden können.
Zumindest könnte Strawberry komplexere Fragen beantworten und wäre ein kleiner Schritt auf dem Weg von OpenAI zur Entwicklung künstlicher allgemeiner Intelligenz (AGI) – einer Art von KI, die der menschlichen Intelligenz in nichts nachstehen würde.
Fazit
Bei der generativen KI gibt es noch eine Menge Überraschungen. Derzeit ist es noch ruhig, aber das wird nicht so bleiben.
Es werden neue Funktionen hinzukommen, und die Aufgaben, die sich mit KI automatisieren lassen, werden unweigerlich umfangreicher.